Montag, 1. November 2010

Ah, les râleurs!

Im Moment beschwert man sich in ganz Frankreich. Diese Rente, dieser Sarkozy, diese Tankstellen, nichts funktioniert. Die "Fac" ist okkupiert (inklusive Vandalismus), nur besonders strebsame Unterrichtende suchen wöchentlich Alternativen zum schon fast konterrevolutioniär geratenem Lehren, was mir unter anderem einen lehrreichen (eher staubatmenden) Besuch in den Stadtarchiven und vor allem einen Ausflug in den mittelalterlichen Garten von Usèz (nahe der Pont du Gard für die Kanutouristen) bescherte.
Nach 5 unendlich langen Wochen des herumquartierens habe ich nun ein brandneues Zimmer im Écusson (Stadtkern), in der wiederhergestellten Pharmacieschule und sehe aus meinen beiden Fenstern rote unregelmäßige Dächer, St. Anne und vor allem die wunderschöne mittelalterliche Kathedrale St. Pierre: das will alles bezahlt sein, war jedoch sowohl Warterei als auch den Preis wert. Nach wenigen Tagen schon klingelt es an meiner Tür, davor ein winziger junger Mann mit Rattenzähnchen, rotem Haar und Brillchen, spielt, wie ich erfahre, Harmonika (wir san jo alles Künschtler hier, näch). Er pocht auf Schadensersatz wegen der Bauverspätung und der nicht installierten Heizungen. (HALLO! Wir sind in Südfrankreich, im Oktober braucht man keine Heizung!) Er sei krank geworden deswegen (nein, kein Attest) und könne klagen. Unterschreiben, bitte, jede Signatur zählt! KOHLE! Und die Hälfte der Bewohner des Gebäudes sind nichtmal Künschtler, dabei heißt das doch "cité des artistes", oder irre ich mich? Dafür werden wir bei genügend Unterschriften ebenfalls entschädigt. Gestern war übrigens eine Bewohner-Vollversammlung, warum warst'n du nich do? Ich erinnere mich an handgeschriebene Zettelchen, die irgendwo bei den Briefkästen hingen, und mein viel dringenderes Bedürfnis, an den Strand zu fahren. Jedenfalls, ein unangenehmer Typ. Auf meinen Vorschlag, zusammen Mussick zu machen, wird nicht reagiert. Ich unterschreibe mal besser, der guten Nachbarschaft wegen. Aber schade, dass es nicht netter anlaufen wollte. Manche Leute, auch wenn sie gar nicht so unzufrieden sind, nutzen einfach jede Gelegenheit, um sich GANZ OFFIZIELL zu beschweren, sobald was dabei rausspringen könnte. Da werden sogar zu Zitierzwecken Gesetzbücher gewälzt.

Samstag, 30. Oktober 2010

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Even a stopped clock is right twice a day.

Mittwoch, 22. September 2010

Wo Wohnen?

Was wäre meine Zeit in Frankreich nur ohne Unordnung.
so kam es, dass man mir ein neues Zimmer in einer noch nicht fertiggestellten Künstlerresidenz im Stadtzentrum zusicherte. Ja, das gilt immer noch. Nur sind die Bauarbeiten noch nicht so weit... Zwar steht in jedem Stadtblättchen was von sich öffnenden Toren, aber geht man dort vorbei, so probieren die Bauarbeiter gerade die Klingeln aus.
Also wohne ich aus meinen Koffern da und dort. Gestern noch im arabischen Viertel beim Freund und ab heute in der PAPPSTADT. Ein im Art Déco Stil gehaltenes Stadtplanungsprojekt der 80er/90er Jahre, was nie so ganz gelungen ist, aber, hinter dem im Stadtzentrum befindlichen Einkaufszentrum POLYGONE, trotzdem, schwungvoll ANTIGONE getauft, als etwas überteuerte Afterwork-Meile fungiert. Aus dem 6ten Stockwerk besehe ich die Verwaisung dort unten und den lila Himmel

übrigens, heute sieht man JUPITER

--- und hüte gerne für die ausgeflogene Freundin 10 Tage ihre 4-Zimmerwohnung. Eine nette Abwechslung zum sonst hier sehr beliebten wohngemeinschaftlichen Gammelcharme oder dem pragmatischen 1-Raumtraum der französischen Jungs.
Mittwoch morgens Bauernmarkt, sonst wie gesagt übertriebene (übrigens Sozial-) Wohnbauten, Restaurants, Ärzte, Coiffeure und ein Käsemann. Unter dem Fensterbrett 3 Holzkatzen,

was auch ganz angenehm mit dem Beginn dieses Abends kontrastiert: Da war ich nämlich zu Besuch bei der ü50-Ausgabe des Gammelcharmestudenten, Bücher gucken. Der braucht keine Tapete, so viele hat er. Und drei Katzen, echte, die sich ganz wunderbar ins intellektuelle Durcheinander einfügen konnten. Über die Rotweinströme muss ich also nicht berichten, noch weniger über den sehr dürftig auf französisch vorgetragenen Celan. Aber, und ich hatte fast schon wieder vergessen, dass es sie gibt: Mal wieder ein richtig schöner Gedichtevorlese-Musikhör-Abend in der passensden Umgebung, die ich hier in einem Jahr finden konnte.

Wie auch immer, Pappstadt. Damit der Abstand zwischen den sich gegenüberliegenden Häusern nicht zu erdrückend weit vorkommt, sind großzügig säumende Kiefern und Zypressen gepflanzt worden, denen ich von hier locker auf die Krone spucke. Das Ganze ist halb Afrika, halb Orient-romantisch gehalten und gewinnt was Pseudogroßstädtisches durch sein pompöses und vollständiges Kücheninventar. Naja, sie hat eine gute Ausrede, hier zu wohnen. Und ich zum Glück gerade auch.

Donnerstag, 26. August 2010

Reiseroute

Roma-Vibo Marina-Zambrone-Mandaradoni-Parghelia-Formiculi-Catanzaro-Villa S. Giovanni-Catania-Pantalica-Buccheri-Taormina-Pachino-Marzamemi-Noto-Catania-Roma

Einseitig suedlich, aber endlich richtig. Auch braun und neue Freunde.
Schlafe fuer ein paar Tage beim Vater des guten Freundes und bekomme prompt das Zimmer im Obergeschoss, also ein altes Haeuschen im Hinterland, mit Blick aufs calabresische Meer. Verzieh die durchhaengende Matratze.
Man besucht ein Mittelalterfestival (naja, soooo mittelalterlich war es nicht, eher eine Ausrede fuer Strassenkuenstler und lokale Gruppen, mal wieder richtig in die Vollen zu gehen...), und ich lernte jemanden kennen, der gross auf seine Fahnen schreibt, dass er vor allem an die Oberflaechlichkeit glaube. Man ass lecker Pferdebratwurst mit Pipi (Paprika im Dialekt) und Zwiebeln.
Eine Nachtfahrt von Catania nach Rom ohne Sitzplatz. Ich war nicht die einzige darunter leidende Person; am Ende des letzten Wagons versammelte sich ein Grueppchen sehr erregter Italienier, die voellig aufgeladen waren voller Hass gegen die Staatlichen Stahlwege und, weil ihr culo nicht bequem sass, am liebsten ganz Italien verklagt haetten. Auch hier wird politische Denke in erster Linie mit dem -Verzeihung- Arsch betrieben.

Letzter Tag: Schneide meinen Pfirsich in den Rotwein und freue mich auf einen kurzen Zwischenstop in deutschen Landen, um wieder in den Sueden (Frankreichs) zurueckzukehren.
Wohne gerade bei einer sehr strengen Freundin, deren Perfektionismus und Stressanfaelligkeit eine wohl dauerhafte Glutinintolleranzia hervorgerufen hat. Da sie Kuchen aber so mag, auch den Geruch, backt sie jeden Tag einen fuer mich.

Dieser letzte soll einer mit nostalgischen Dosenpfirsichen werden. Los jetzt.

Dienstag, 3. August 2010

Sommerloch

macht sich auch bei mir bemerkbar; nicht mehr als ein paar Kurzeskapaden in Hauptstädte und Provinznester zu Lieben und Liebsten, nächste Woche einen längeren Schlenker durch Süditalien. Ausnutzen des Schwebezustands zwischen Realitäten, Lebensentwürfen, Geographieen und Nationen um nirgends zurückzumüssen und auch nicht zu bleiben. Das Gefühl, gleichzeitig allumfassend und nichtig zu sein, dass Rückzug keine Richtung, sondern maximal Innen und Außen kennt.

Freitag, 25. Juni 2010

Plénitude

Die vorangehenden und kommenden Tage stehen unter dem Zeichen vollkommener Ausgefülltheit. Wie so oft hat irgendjemand mitgedacht und mir dazu verholfen, diesen Zustand auf längere Sicht beizubehalten. Ich kann mich eigentlich nur noch selbst dabei beobachten, das ganze auf seinem Weg zu begleiten. Sie bleiben also noch ein Jahr, als wollte man, dass ich nun doch auswandere. Eigentlich eine egoistische Sache, denke an die Lieben "zuhause" und an die neuen Lieben hier, und dass sich das Miteinander auf immer hektischer werdende Benachrichtigungen und Schlagabtausche beschränkt. Das Bedürfnis nach "Ruhe" und "Zeit für sich" gewinnt an Dringlichkeit, genauso wie das Bedauern darüber ständig zu meinen, nicht genug "mitzunehmen". Dennnoch, dennnoch, eine Gelassenheit, die jeden Zeitdruck und verpasste Gelegenheiten relativiert, stellt sich nach nun knapp zwei Jahren nicht-ganz-dagewesen-sein ein. So, wenigstens hat es den Anschein, gelangt jeder an seinen Platz, fügt sich jede Konstellation, sei sie eine gesundheitliche, eine jobbezogene, eine zwischenmenschliche, ganz von allein zurecht. Eine gute Feststellung: nicht alles bedarf einer permanenten Überwachung, und gleichzeitig erschreckend: etwa wie wenn man feststellt, als Kind, dass andere Menschen weiterleben, wenn man nicht dabei ist.
Bref, es geht gerade gut in die Richtung vorwärts, die ich immer mal nehmen wollte. :)

Samstag, 29. Mai 2010

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scheußlich, der häufigen unvereinbarkeit von dialektik und tat ausgesetzt zu sein. der wunsch, sich selbst dabei gerecht zu werden, lässt jemanden zwar über seine grundangelegenehiten hinauswachsen, die konfrontation mit anderen hingegen entgleitet in zerrbilder, die keiner gern gesehn hätte.

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mittlerweile hasse ich richtiggehend diese vage, altkluge und romantisierende journalistenformulierart und ihre im endeffekt wissenschaftliche unbrauchbarkeit. déjà, die genauigkeit meines gebietes in dieser hinsicht beschränkt sich auf den gemeinsamen nenner der isolierenden vermischung unterschiedlichster ergebnisspitzen, um einen transdisziplinären eindruck zu erwecken, jedoch gibt der quellenangabefaschismus jedem neidischen leser die möglichkeit, das ganze auseinanderzunehmen und zu widerlegen. die blöde zeitung hat wirklich glück...

Dienstag, 18. Mai 2010

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Es geht gerade eindeutig alles zu einfach. Das kann ja noch ein heiterer Sommer werden...........

Was wir hier lesen

- ihr seid alle nicht gemeint
- ihr seid alle gemeint

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Distanzierung

Sollte sich hier ein fragwürdiger Link befinden, so bitte ich den rechtskundigen Überprüfer anzuerkennen, dass ich auf keines der verwiesenen Erzeugnisse irgendeinen nennenswerten Einfluss habe.

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