wollen vs. nicht anders können:
letzteres fatalistisch, der faule weg und dennoch anstrengend, absolut zielführend.
wollen: nie vollständig koordinierbare schwäche des geistes, angefüllt mit überbrodelndem mut.
sho-shan-nah - 5. Dez, 11:24
"Liebe Freundin.
[...] es ist zu spät. Es ist nicht richtig, dass Sie auf alle Arten miteinander anstoßen und trinken, während diese dummen & hässlichen Streitereien andauern. Das würde nicht passieren, wenn alle nett & gut miteinander wären.
Leider ist das nicht der Fall. [...]"
Brief von Satie an Valentine Gross, 6. Januar 1917, in Fronda, Ornella, Erik Satie: Correspondance presque complète, Paris, 2000, S. 273, meine Übersetzung.
Nett & gut miteinander sein würde bedeuten, mal nicht um der Sache willen weiterzumachen, sich nicht beweisen zu müssen, dass man unter proper human beings verkehrt, da dies offensichtlich sowieso leider nicht der Fall ist. Und es einfach sein zu lassen.
sho-shan-nah - 23. Okt, 17:08
Ich konnte heute 2 Formen der Eingenommenheit (von sich selbst) unterscheiden.
Die erste erscheint geziert und ist doch demütiger als die zweite, welche offen wirkt und umso moralischer ist.
Angehörige ersterer Gruppe fallen durch einen gewissen Elitismus auf und durch Selbststilisierung, hervorgehend aus einer Minimalisierung der eigenen Möglichkeiten, deren Ausübung sich auf gründliches Bedenken aller Details des Lebens gründet. Das mag oberflächlich aussehen, versteckt aber einen Kern an gewissenhafter Nachdenklichkeit, die einen in das geistige Alter der eigenen Großeltern hineinversetzt, die daraus resultierenden gemeinschaftlichen Unveträglichkeiten kann man sich entsprechend ausdenken.
Der zweite Typ ist in dieser Hinsicht ein soziales Chamäleon, das durch seinen Überblick und der Sicherheit, Recht zu haben trotz eigener Unzulänglichkeiten höchstens dann Gefahr läuft anzuecken, wenn er auf Seinesgleichen trifft. Dieser Mensch hört in ehrlichen Momenten den Satz: "Man merkt, dass du weißt, dass andere dich für intelligent halten" und zeigt Spuren des Ertapptseins.
Welcher der beiden den schwereren Kopf mit sich trägt, ist nicht zu beurteilen. Sicher ist, dass zwischen beiden Polen starke Konzentrationsunterschiede auftreten, der introvertierte Gegen-Alles-von-sich-Eingenommene ist öfter verteilt und gehemmt in seinen Aktivitäten, weil sowieso alles von zu vielen Kleinigkeiten abhängt, während der nach Außen Strahlende durch seine universale Rechthaberei großzügig erscheinend über vieles hinwegsieht und damit sehr viel unbefangener seinen Kram angeht, gleichzeitig sich jedes Urteil vorbehält.
Die Arroganz des ungerecht Behandelten, der sich dessen bewusst ist, oder die Überlegenheit des positiven "Zynikers" - beides absolut vertretbare Gründe, sich gut zu finden und weiter daneben trotzdem nicht liegen zu können.
sho-shan-nah - 20. Sep, 05:40
"I shall recast my vague sadness/Into precise songs."
- Vadim Shershenevich.
I shall...
sho-shan-nah - 10. Sep, 17:37
in getriebenheit oszillierend zwischen todmuedigkeit und unermuedlichkeit hole ich nach einer zeit in sevilla nach landung in paris kurz luft: paris plages, eine neue erfindung, die die leute auf transats an den ufern sortiert und ihnen das gefuehl gibt, dass auch naherholung in der verpesteten atmosphaere moeglich ist. aus der absoluten singlewohnung im 11. arrondissement ist meine neue vertrauensbasis der hauptstadt entwachsen.
am naechsten morgen klingelt der wecker um viertel vor 4 und es geht mit umstaendlichen nachtbussen, in denen und vor denen die toeuf der noch nicht geendeten nacht fortgesetzt wird, zur porte maillot und den bus nach beauvais zum dritten mal diese woche, 16 euro die man gerne behalten haette aber man fuegt sich der ueberorganisation der ryanairflughaefen, um die sich eine ganze kleinunternehmerei gebildet hat, und wenn ich auch nicht einschlafe und eher friere unter der brutal angeschalteten klimaanlage bin ich froh, nach erholsamen aber zu wenigen 4 stunden schlaf nicht nachdenken zu muessen. alles ist darauf angelegt, reibungslos abzulaufen, und ich lasse mich durchschleusen, dass ich gar nicht mehr mitkriege, wie versucht wird, scratchlotery unter die leute zu bringen.
in bergamo gelandet fahre ich hinauf in diesen faustschlag an fast unertraeglicher mittelalterlichen malerischen miniatur, auf einen berg gekroent und selbstgenuegsam sich nach unten ausbreitend. werde ein paar minuten durch die stadt gefuehrt, hoere bei einer pause in einem der kloester (gleichzeitig priesterseminar) lautest nightwish ueber den hof schallen. die lange reise, die noch vor mir liegt, namentlich in weniger als 24 stunden unten in der stiefelspitze sein zu wollen, nimmt mir die ruhe fuer ausfuehrliche betrachtungen.
es geht also durch wieder fast nicht glaubwuerdige landschaftliche szenerien nach mailand mit einem bummelzug, dann mit einer frecciarossa nach rom. hier sehen meine fuesse fuer ein paar stunden tageslicht und sind wie die nacktschnecken, die man aus marmorbaenkenritzen kriechend nachts in sevilla beobachten konnte: ein bisschen eklig, aber gluecklich ueber die zumutbaren temperaturen, etwas langsamer als sonst sich raekelnd.
in rom ist freie bewegung moeglich, irgendwie erleichtert in vertrautheit angelangt zu sein und nur noch einen zug vor sich zu haben, wenn auch den schlimmsten, geht es fuer einen aperitiv in alte lieblingsviertel wo auch nach kaum 2 minuten verweilen sich neue zweifelhafte bekanntschaften anschliessen...
mein antiker nachtzug geht von roma tiburtina. ich bin eine stunde frueher dort um mich mit kaffee ein bisschen auszuruesten vor der 7stuendigen nachtfahrt und komme erst mal nicht aus dem bahnhofsgebaeude, bis mich ein sicherheitsmann, der erst nur aus der ferne immer wieder ruft: signora, è chiuso di là und damit gar nicht hilft, mich hinausbegleitet. draussen ist dann literary nichts mehr ausser dunkelheit und gestalten, die sie suchen, ich finde irgendwo eine bar, nehme einen caffè freddo und bin froh um ein bisschen licht. heimeliger wird es, als ich doch noch einen amaro del capo eingeladen werde.
waehrend ich mich also auf meinem sitz halbwegs ausstrecke, die klimaanlage foehnt wie sie nur kann und wir natuerlich zu fuenft im abteil sind, frage ich mich, warum ich mir diese strecke immer so antue - da werden raucherabteile fuer schlaflose geschaffen, kleine babys mit ihren muettern liegen zusammengekauert zwischen polizeibeamten und deren gegenteilen, toiletten sind bereits beim zusteigen in rom voellig unzumutbar und schlaf ist sowieso nicht prima, da alle 2 stunden angehalten wird und neue sonnenverbrannte gesichter (je suedlicher wir halten kommen) zusteigen, einem ins abteil schauen und ab salerno auch den sechsten platz noch besetzen. meine ohren sind draussen und hoeren das schleifen der raeder ueber den schienen und das stolpern "tu te tapes encore ça tu te tapes tu te tapes" droehnt es durch die sitze in den schaedel.
die naechste siesta findet nach gelungener ankunft am folgenden abend in mandaradoni statt.
sho-shan-nah - 7. Aug, 21:49
opfer, abgesehen von lexikalisch vorgeprägten begriffen wie "flutopfer", sind in wirklichkeit moralwächter und -bestrafer. sie genießen ihren opferstatus: bescheiden aber rechthaberisch, geprügelt aber würdevoll. es wird ihnen, obwohl man sie von den beispielsweise erdbebenopfern abgrenzen müsste, ein ähnlicher kreditrahmen an beschwerden eingeräumt, ein allgemeiner ausnahmezustand ist ihnen jederzeit zu gewähren.
opfer sind dann keine mehr, wenn sie ihre persönlichen sackgassen auch als solche begreifen und nicht als unaufgearbeitete vergangenheit einordnen. ich habe keine lust, das zu relativieren, denn de facto passiert tatsächlich nichts, wenn man ruhen lässt, was nicht zu ändern ist. auch historisches interesse daran ist nur bedingt zielführend, denn der mensch hat besonders bei reflektierten gewohnheiten tendenz, an ihnen festzuhalten, da er sich um ihrer unentwurzelbaren verwirkung mit dem eigenen ich umso bewusster ist.
ich habe angst vor opfern, klar, denn es gefällt ihnen, anderen ihren status schmackhaft zu machen und grundsätzliche beschädigungen, die eigentlich alle in einer form in sich tragen, bei mir festzustellen und herauszuschälen. in den ersten phasen des opferkontakts sprechen wir wahnsinnig viel über die jeweiligen kindheiten, sexualkontakte, eltern, soziale beziehungen. unter dem codeword "gemeinsame selbstreflexion" kann das unter umständen jahrelang laufen - am ende steckt man gegenseitige sensibilitätsgrenzen ab, hält diese fließend und behandelt sich grob und übervorsichtig gleichzeitig. das problem dabei ist, dass ein opfer kein problem damit hat, anderen eine gewisse macht über sich zu geben, das gehört zur opfertypischen demut. sie haben das geübt und begreifen das als stärke, was klar ist: wenn ihnen jemand in die kerbe haut, haben sie alles recht, um sich zu treten und zu vernichten. ein reflexionsverführtes nichtopfer wiederum sieht sich in einer ähnlichen situation reduziert auf die früchte einer nacht am tresen.
kein opfer von opfern werden...
sho-shan-nah - 25. Jul, 09:57
Pretending not to care???? NO! Care not to pretend!
sho-shan-nah - 2. Jun, 15:44
Im alten Monat Mai
glichen wir die Unebenheiten an der Häuserfront aus
quetschten die Kugeln zurück in ihr Billiarddreieck
und dem rothaarigen Indiz nachgebend bei der
Kleiderordnung, smart casual,
hat in unsren Schmerzen das Träumen angefangen
sho-shan-nah - 29. Mai, 14:08