Freitag, 23. April 2010

kokette verzückung

man sagt hier über deutsche, dass sie von ihrer ästhetik den hals nicht voll genug bekämen. mit sensibilisiertem auge sehe ich mich in meinem penthouse um: bildungsbürgerliche indoktrinierung gewinnt mit wehenden fahnen bis ins letzte étagierte beistelltischchen. studentische erziehungs-renitenz-überbleibsel wie ein vor kurzem gepicktes roadsign und das photographierte kopfgedränge mit den liebsten sammeln sich mit den wollmäusen in der ecke. wer krampfhaft nicht werden will, wie man ihn gedacht hat, wird zum idioten. dennnoch - merken, permanent zu reproduzieren, was einem jahrelang vorgemacht wurde? und ganz abgesehn von rebellion - auf einmal äußerliche zugeständnisse da zu machen, wo uns das innere so viel wichtiger war, auch wenn wir sie heimlich gleichwichtig nahmen?
nietzsche sagt, man könne eigentlich über nichts anderes als geschmack streiten. für alles andere fehlt uns die abstraktionsfähigkeit. ich sage also diesen leuten "wir sind nicht nur ästheten, wir sind auch gepflegte neurotiker." nicht nur unter den blasierten intellektuellen hat sich das gerücht durchgesetzt, dass persönlichkeit nicht von der farbe ihrer kleidung abhängt (was keinen davon abhält schwarz zu tragen, oder schlimmer, sich gehen zu lassen) oder ihrem musikgeschmack oder ... genau, persönlichkeit will fein geschliffen werden. wortwahl ist da ein guter anfang! das 19. jahrhundert erlebt ungeahnte revivals, Du Dich Dein schreibt man wieder groß, ein paar freaks grueszen bestens am ende einer e-mail. danach eine phobie, eine harmlose wie fahrstühle, oder eine abgefahrene, in deren verlegenheit man niemals kommen muss, weil es um zirkuspferde geht und sowieso schon lange kein zirkus mehr in der stadt war. für reinlichkeitsticks sind die meisten zu faul, aber wehe, wenn die fußmatte nicht richtig liegt, wenn gerade 10 gäste über die schwelle sind. es wird eine bewusst zerbrechliche und gut sichtbare charakterschale angelegt, die mit wenigen guten aber teuren und eleganten accessoires unterstrichen wird. ein paar feine italienische lederschuhe zu besitzen, die 10 paar discounterschühchen wortwörtlich mit links aufwiegen, gehen in ordnung. sie beweisen uns, dass sich nicht nur arbeit, sondern auch sparen wieder lohnen muss. die gebraucht selbstverständlich noch immer gut aussehen sollen, würden sie solange den ästhetischen richtlinien des selbst auferlegten elitismus ihres trägers gerecht werden.
einen kleinen defekt, zusätzlich zur phobie, trainiert man sich an, ganz oben die klassischen süchte, einen stationären aufenthalt, andere machen ordentlich schulden oder brechen was ab. die haben immerhin gelebt!
am allerschönsten ist es wohl, sich wegen intelligenz, gewitztheit und "zynismus" sich ganz sich selbst fühlen zu können. aber da ist er wieder - der blick, schnell um sich geworfen, gucken sie auch, hören sie auch, schnell schreiben, schnell sprechen, und das immer in das einfache aber klassische moleskine, in das oldschool-diktiergerät, in irgendeinen zuhörereimer. aber wer wird denn da resignieren, wenn er geschmack hat. ab in den laden, kunstdrucke kaufen, massenhaft musik ranschaffen, lesen und filmegucken bis zum umfallen und aufsaugen, was uns übriggelassen wurde. vielleicht geht einem dann auch auf, dass es früher nicht besser, sondern anders war. dass weitergeben den klang verbessert und die möglichkeit bietet, sich zuhause zu fühlen.

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